Damit Fleisch zart und geschmackvoll wird, braucht es Zeit, um zu reifen. Die natürliche Reifung setzt direkt nach dem Schlachten ein und geschieht in zwei Phasen:
Phase 1
Nach dem Schlachten wird die im Fleisch gespeicherte Energie, das Kohlenhydrat Glykogen, abgebaut. Dabei entsteht Milchsäure und der pH-Wert sinkt. Ist diese Energie aufgebraucht, setzt eine Quervernetzung der Muskelfasern ein und das Fleisch wird fest oder zäh.
Phase 2
Eiweiss spaltende Enzyme brechen die Struktur der Fasern auf, der pH-Wert steigt, die eigentliche Fleischreifung beginnt und das Fleisch wird zart. Bei Geflügel dauert die Reifung bis zu drei Tage, bei Schweinefleisch bis zu einer Woche und bei Kalbfleisch bis zu zwei Wochen. Die Vorderviertel vom Rind reifen eine bis eineinhalb, die Hinterviertel bis zu drei Wochen. «Mit einer längeren, fachmännischen Reifung kann das Fleisch nun aber weiter veredelt werden», präzisiert Metzgermeister Wüthrich.
Dry-Aged: Guter Geschmack braucht Zeit
In Jürg Wüthrichs Kühlraum – seiner Schatzkammer – lagern bis zu vier Wochen alte Rinds-Entrecôtes trocken am Knochen. Für die trockene Fleischreifung ist vor allem Rindfleisch geeignet – und auch gefragt. «Hauptsächlich Entrecôte, Côte de Boeuf oder Filets», erklärt der Fachmann. Durch die Reifung erhält das Fleisch einen starken, nussigen Geschmack. Schweinefleisch ist für die Trockenreifung weniger geeignet, es enthält mehr Fettsäuren und verdirbt schneller. Möglich ist es trotzdem: Die Produzenten von Luma Pork etwa setzen Edelschimmelpilze ein, um auch Schweinefleisch trocken am Knochen zu reifen.
Für die perfekte Trockenreifung sind drei Faktoren entscheidend: Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Zeit. Damit das Fleisch nicht austrocknet, braucht es eine stille Kühlung ohne Durchzug. Die ideale Temperatur liegt zwischen –1 und +2 °C, die Luftfeuchtigkeit bei ca. 70 Prozent. Die Reifedauer hängt vom Fleischstück ab – und vom gewünschten Geschmack. Für Rindfleisch bewähren sich laut Wüthrich etwa vier Wochen. «Der Reifeprozess muss beobachtet, das Fleisch gehegt und gepflegt werden.» Und darum hat Dry-Aged auch seinen Preis. «Durch den Feuchtigkeitsverlust, die intensive Pflege und das Dressieren der Trockenränder ist der Kilopreis von Dry-Aged-Stücken ca. 30 Prozent höher.»
Wet- und Dry-Aged-Fleisch unterscheiden sich dressiert – also nach dem Entfernen von überschüssigem Fett und Sehnen – farblich nur wenig. Am besten erkennt man den Unterschied am Fettrand: bei Dry-Aged-Fleisch ist er hart, trocken und weiss, bei Wet-Aged-Fleisch weich, feucht und eher rosa.
Dry-Aged-Fleisch richtig zubereiten
Damit die edlen Stücke auf dem Teller ihren vollen Geschmack entfalten, sollten sie so heiss wie möglich angebraten werden. Danach lässt man sie im Ofen bei niedriger Temperatur noch etwas ziehen. Beim Würzen gilt: Weniger ist mehr. Etwas Fleur de Sel und wenig Pfeffer reichen – intensive Gewürze, Kräuterbutter oder schwere Saucen sind tabu.
Gewusst wie:
Braten in der PfanneKlassisch heisst nass
Trocken gereiftes Fleisch ist im Trend – und trotzdem ist es nicht jedermanns Sache. Vielen Gästen ist es zu intensiv, sie bevorzugen nass gereiftes Fleisch: Dazu wird das Fleisch ein paar Tage nach der Schlachtung von überschüssigem Fett und Sehnen befreit und vakuumiert. Es reift ohne Sauerstoff im eigenen Saft. Bei der Lagerzeit gibt es auch hier unterschiedliche Ansätze. Jürg Wüthrich lässt das Fleisch ca. vier Wochen bei –1 bis +2 °C reifen. Oft wird die Reifezeit verkürzt – das senkt den Preis, aber auch die Qualität. Nass gereiftes Fleisch ist feuchter und zieht bei der Zubereitung mehr Wasser. «Hier verhält es sich genau umgekehrt als bei den Dry-Aged-Stücken. Das Fleisch wird am besten im Ofen bei circa 70 bis 80 °C niedergegart – und entweder vorher oder nachher scharf angebraten», empfiehlt der Experte.